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Der ewige Steinmeier

  • Autorenbild: Nikolai Klimeniouk
    Nikolai Klimeniouk
  • 9. Jan. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Jan.

Frank-Walter Steinmeier soll wieder Bundespräsident werden. Dabei symbolisiert er ein Deutschland, das von Menschen regiert wird, die niemand so richtig wollte.

Veröffentlicht in FAS, 09.01.2022


Screenshot FAZ.net
Screenshot FAZ.net

Frank-Walter Steinmeier soll wieder Bundespräsident werden. Das höchste Amt der Bundesrepublik hat in erster Linie symbolischen Charakter, und diese Entscheidung symbolisiert vor allem: In diesem Land will sich nichts ändern. Dass die nun oppositionelle Union die Kandidatur Steinmeiers unterstützt, überrascht kaum. Dass die mitregierenden Grünen mitmachen, leider auch. Hatten wir nicht erst kürzlich eine Bundestagswahl, die im Zeichen der Erneuerung stand? Wurde diese „wirkliche Erneuerung“ nicht von Annalena Baerbock im Namen der ganzen Ampelkoalition sogar versprochen? Wer auf eine inhaltliche Wende, auf mehr Modernität und Diversität, auf mehr Haltung, mehr werteorientierte Politik und weltpolitische Verantwortung gehofft hat, bekommt kaum etwas davon und obendrauf noch den ewigen Steinmeier.


2017 wurde der Sozialdemokrat Steinmeier von der Union nicht zuletzt aus Mangel an eigenen Kandidaten akzeptiert. Nun symbolisiert er ein Deutschland, das von Menschen regiert wird, die niemand so richtig wollte und die ihre Positionen hauptsächlich dem Zufall und undurchsichtigen Prozessen in den Parteiapparaten verdanken. Scholz, der Kanzler wurde, weil sich die viel aussichtsreicheren Konkurrenten bei der Aufstellung der Kanzlerkandidaten eklatant vergriffen und einen miserablen Wahlkampf führten. Die FDP, die womöglich derselbe Umstand überhaupt erst an die Regierung brachte. Annalena Baerbock, die trotz ihrer Schwächen doch noch das Auswärtige Amt bekam, und der unbestritten besser qualifizierte Cem Özdemir, der sich mit dem ihm wenig vertrauten Agrarressort begnügen darf.


Steinmeier symbolisiert aber noch etwas viel Schlimmeres als bloße Stagnation. Das Amt des Bundespräsidenten verpflichtet zur politischen Neutralität. Umso mehr fiel es auf, als Steinmeier im Februar 2021, nach fast vier Jahren im Amt, zum ersten Mal gegen diese Regel verstieß, um ausgerechnet den Weiterbau von Nord Stream 2 zu verteidigen, ein Projekt, das die Länder Osteuropas als eine direkte Bedrohung ihrer Sicherheit ansehen. Er ging sogar so weit, das mit dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion zu begründen. Der einstige Kanzleramtschef von Gerhard Schröder und Außenminister von Angela Merkel verkörpert wie kaum ein anderer deutscher Politiker unseren verhängnisvollen Mangel an Sensibilität für Belange der östlichen Nachbarn, die arrogante Haltung des Westens gegenüber dem Rest der Welt, die unsägliche Tradition, dass Großmächte unter sich über die Schicksale der weniger mächtigen Länder entscheiden. Steinmeier hat viel Zeit als Außenminister und Bundespräsident damit verbracht, den puren Machtwillen des russischen Machthabers als legitimes Interesse zu verkaufen. Als wären Putins Krieg in der Ukraine und seine Unterstützung der Diktatoren von Lukaschenko bis Assad nicht genug, schickt er jetzt seine Truppen nach Kasachstan, um die Proteste dort niederzuschlagen.


Welches Signal soll Steinmeiers Wiederwahl in dieser Zeit an die Welt senden? Dass Deutschland auf Kontinuität setzt und jeder sicherheitspolitischen Herausforderung nach wie vor mit Appeasement und Schönrederei begegnet? Dass die Grünen jetzt zwar das Auswärtige Amt haben, aber auf eine eigene außenpolitische Agenda verzichten? Dass sie zwar Diversität und Erneuerung predigen, aber diesen fragwürdigen Mann als höchsten Repräsentanten Deutschlands ohne Weiteres akzeptieren?


Der Bundespräsident soll Würde und Integrität verkörpern. Ob Steinmeiers gütiges Lächeln und seine weißen Haare dafür ausreichen? In seiner gesamten politischen Karriere hat Steinmeier wahrhaftig Großes nur im privaten Bereich geleistet. Da gehört er auch hin: ins Private, in den Ruhestand.

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